Montag, 16. Mai 2016

Cannes empfängt Steven Spielberg

Wenn jemand wie Steven Spielberg nach Cannes kommt, dann geraten selbst die Kinokapazitäten von Cannes an ihre Grenzen. Vor einem randvollen „Grand Theatre Lumière“ mit mehr als 2500 Gästen wurde Spielbergs Roald-Dahl-Verfilmung „The BFG“ (deutscher Romantitel: „Sophiechen und der Riese“) gezeigt. Der Film erzählt die Geschichte eines Waisenmädchens (Ruby Barnhill), das von einem Riesen (via Motion-Capture zum Leben erweckt durch die Bewegungen und Mimik von Mark Rylance) entführt wird, der gar nicht so gemein ist wie angenommen, sondern sich als „The Big Friendly Giant“, kurz BFG entpuppt. Er pustet den schlafenden Menschen schöne Träume in ihre Zimmer, ist aber nicht der einzige im Riesenland: Dort gibt es auch etliche üble Gestalten.
Steven Spielberg in Cannes (Foto: Katharina Sartena)
Ein Fantasy-Film, der dem erfolgsverwöhnten Spielberg scheinbar nicht so leicht von der Hand ging, dafür ist er zu seelenlos umgesetzt und auch an der Technik hapert es: Eine reale Menschenfigur in den Händen eines gigantischen Riesen, das wirkt selbst anno 2016 und aus Disneys Schmiede noch immer ein bisschen so linkisch wie dereinst bei „King Kong“ aus den 1930ern.
Mark Rylance (Foto: Katharina Sartena)
Dass sich Spielberg der Verfilmung annahm, ist naheliegend: Die Story birgt Ähnlichkeiten zu Spielbergs Klassiker „E.T“ (1982), und Dahls Buch erschien im selben Jahr wie „E.T“. Beide Drehbücher stammen von der 2015 verstorbenen Melissa Mathison.
„Ich war selbst der BFG, als ich das Buch einst meinen sieben Kindern vorgelesen habe“, lacht Steven Spielberg. „Wenn ich einen solchen Film vorbereite, dann denke ich dabei überhaupt nicht an kommerzielle Aspekte. Die Filmarbeit ist eine harte, fordernde Tätigkeit, die ich bis zum Ende meines Lebens ausüben werde. Kommerz interessiert mich nicht, ich bin immer nur auf der Suche nach guten Geschichten“. Bei einem Regisseur wie Spielberg, dem Hollywood einträgliche Blockbuster wie „Indiana Jones“ oder „Jurassic Park“ zu verdanken hat, mag es verwunderlich klingen, dass ausgerechnet er sich ums Einspielergebnis keine Gedanken macht. Andererseits arbeitet Spielberg seit Jahren kontinuierlich auch an seiner „ernsten“ Filmografie, mit Filmen von „Amistad“ über „Lincoln“ bis hin zu seinem letzten Film „Bridge of Spies“, für den BFG-Darsteller Mark Rylance heuer mit einem Oscar geadelt wurde.

„Mein großer Traum ist es, dass jeder meiner Filme in allen Ländern der Welt eine Bedeutung hat. Ich glaube, jeder Film ist solange ein Waisenkind, bis ihn jemand adoptiert“. Dass Spielberg mit „The BFG“ an die Fantasy-Filme seiner frühen Karriere anknüpft, hat für ihn auch einen bestimmten Grund: „Ich finde, je schlimmer die Welt wird, desto mehr sollten wir uns der Magie von Geschichten verschreiben, die unsere Phantasie bereichern. Nur so können wir diese Dinge überwinden“.

Matthias Greuling, Cannes

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