Samstag, 6. September 2014

Roy Andersson: Schwedische Taube holt Goldenen Löwen

Über die Leiden des Filmfestivals von Venedig ist schon viel geschrieben worden: Von seiner schwindenden Bedeutung im Schatten Torontos, der fehlenden Infrastruktur auf dem Lido von Venedig, von ausbleibenden Stars und dem allerorts präsenten Verfall beim ältesten Filmfestival der Welt.
Gewinner: Roy Andersson (Foto: Katharina Sartena)
In diesem Jahr aber war alles ein bisschen anders: Die Filmschau, in den letzten Jahren zu einer Karikatur ihrer selbst erstarrt, musste erst 71 werden, um wieder kräftige Lebenszeichen von sich zu geben. Normalerweise trumpft man ja zu runden Jubiläen mit Frischzellenkuren auf, aber Italien ist eben ein bisschen anders. Alberto Barbera, der Direktor der Filmfestspiele, hat ein wirklich rundes Wettbewerbsprogramm zusammengetragen, in dem es eigentlich keine wirklichen Tiefpunkte gab. Barbera hat sogar etwas Geld in die Hand genommen und die repräsentativsten Kinosäle des Lido renovieren lassen. Die Baugrube, wo einst ein neuer, 100 Millionen Euro teurer Stahl-Glas-Komplex den unter Mussolini erbauten Palazzo del Cinema ersetzen sollte, ist immer noch da, aber mit sechs Millionen an Investitionen ist zumindest die Plane rundherum dicht genug, damit man das brachliegende Elend nicht sehen muss.
Dass dann die Jury unter Führung des Filmkomponisten Alexandre Desplat (und unter Mitwirkung der Wiener Regisseurin Jessica Hausner) bei der Vergabe des Hauptpreises darauf verzichtete, die politisch korrekte Entscheidung zu treffen, spricht auch für eine Neupositionierung (oder Beharrung) des Festivals: Nicht etwa die Doku „The Look of Silence“ von Joshua Oppenheimer holte den Goldenen Löwen, sondern den Großen Preis der Jury; Oppenheimer geht in seiner hervorragenden Doku wie schon in „The Act of Killing“ den Massenmördern des Genozids in Indonesien 1965/66 nach und forscht an diesem bis heute nicht aufgearbeiteten Trauma.
Doch die Jury wollte sich von der Filmkunst an sich inspirieren lassen und zeichnete (hochverdient) den Schweden Roy Andersson mit dem Goldenen Löwen aus. Schließlich geht es bei dieser „Mostra d’Arte Cinematografica“ - wie ihr Name schon sagt - um die Kunst, und nicht nur um politisch motiviertes Kino. Dabei ist Anderssons „A Pigeon Sat on a Branch Reflecting on Existence“ (etwa „Eine Taube saß auf einem Zweig und dachte über das Leben nach“) neben seiner schrullig-lakonischen Erzählweise auch eine Aphorismensammlung über das Leben an sich - und schon allein deshalb hochpolitisch.
Komik und Tragik liegen in diesem wunderbaren Film ganz nahe beieinander, wie im echten Leben auch. Stilistisch entrückt Andersson seine Geschichte aber in ein statisches Skurrilitäten-Universum ohne Entsprechung.
Andersson folgt zwei Scherzartikel-Vertretern durch Göteborg, die in lustlosen Verkaufsgesprächen eher Begräbnis- als Party-Stimmung verbreiten. Sie haben ein Dracula-Gebiss im Sortiment, eine gruselige Gummimaske und natürlich einen Lachsack. Sie verbinden sketchartige Miniaturen, die sich sehr langsam zu einem Ganzen fügen. Eine tragikomische Versuchsanordnung über das Leben und den Tod, das letztlich die bekannte Moral vertritt, dass das eine ohne dem anderen nicht denkbar wäre.

Dass am Lido wieder die Filmkunst gefeiert werden darf, zeigt auch der Regiepreis für den Russen Andrej Kontschalowski: Der hat in „The Postman’s White Nights“ eine ähnlich absurde Ausgangslage wie Andersson: Er erzählt von einem Postler, der im Norden Russlands in großen Seengebieten die einsam versprengten Einwohner mit Briefen und allem Lebensnotwendigen versorgt. Eine stille Kontemplation karger Existenzen, in deren Alltag es aber trotzdem so etwas wie Humor und Lebensbejahung gibt: In grandiosen Bildern und mit Laiendarstellern, die allesamt sich selbst spielen, zeigt Kontschalowski, dass das Leben im Abseits keineswegs eine Entbehrung sein muss. Es kommt nur darauf an, wie man Entbehrung definiert. Schon allein deshalb waren die 71. Filmfestspiele am Lido von Venedig ihre vielen Unwegsamkeiten wert: Wo bekommt man heute in all der Hektik noch zu sehen, wie fabelhaft einfach der Anspruch an Erfüllung sein kann?
Matthias Greuling, Venedig

(Dieser Beitrag ist auch in der Furche erschienen)

Freitag, 5. September 2014

Pasolini: Abel Ferraras spätes Meisterstück

Das letzte Interview seines Lebens gab er am Tage seines Todes. Pier Paolo Pasolini, italienischer Dichter, Filmemacher, Denker und ja, in seinen Schriften auch: (politischer) Aktivist. In der Nacht von Allerheiligen auf Allerseelen des Jahres 1975 wurde Pasolini brutal ermordet; seine Leiche fand man am Strand von Ostia, vor den Toren Roms. Viele Mythen ranken sich um sein Ableben, und doch: Die unbewiesenen Verschwörungstheorien, die hinter seinem Tod einen Auftragsmord vermuteten, sind berechtigt, weil Pasolini kurz zuvor noch über eine Verstrickung des italienischen Staates in Terroranschläge recherchierte und dazu auch öffentlich den Mund aufmachte.

Willem Dafoe mit Abel Ferrara (Foto: Katharina Sartena)
Bei Regisseur Abel Ferrara ist alles banaler: Da fuhr Pasolini mit einem jungen Stricher in seinem Alfa 2000 GT an den Strand. Dort wollte er Sex mit ihm haben, aber eine zufällig vorbeikommende Gang beschloss, auf die "dreckige Schwuchtel" einzudreschen und sie anschließend mit ihrem Alfa zu überrollen.

"Wir sind alle in Gefahr"

Doch gar so banal ist dieser Film nicht: Vieles, was Abel Ferrara in "Pasolini" zwischen den Zeilen versteckt, muss erst gefunden werden. Kaum ein Film schied am Lido so sehr die Geister wie dieser: Von oberflächlicher Inhaltslosigkeit sprachen die einen, von einem Meisterwerk der Poesie die anderen. Wir gehören eher zu den Letzteren: "Pasolini" ist nicht nur eine Chronologie des letzten Tages im Leben seines titelgebenden Protagonisten (apathisch, nachdenklich und kämpferisch dargestellt von Willem Dafoe), sondern auch der metaphernschwangere Versuch, sich diesem Künstler anzunähern, seine Welt(bilder) zu verstehen, die (nicht nur) im Italien der 70er Jahre angeeckt haben mussten. Ein scheinbar furchtloser Intellektueller, der sich bei den einfachen Menschen auf der Straße wohler fühlte als in den Kreisen der von ihm verhassten Bourgeoisie. Pasolini, der Aufgeklärte, der Journalisten mit einer gewissen Schulmeisterlichkeit gerne seine Ideen vom gesellschaftlichen Zusammenleben diktierte, zugleich auch vor dem drohenden Untergang warnte. Dem Journalisten seines letzten Interviews verordnete er die Artikel-Überschrift: "Schreiben Sie, ‚Wir sind alle in Gefahr‘."
"Pasolini" ist auch deshalb ein Meisterwerk, weil Ferrara ganz assoziativ mit seinem Protagonisten umgeht: Da wird das tägliche Wecken durch Pasolinis Mutter mit seinen intellektuellen Ideen von einer idealen Gesellschaft konterkariert, da folgt einer Diskussion über die Pläne für seinen nächsten, ungedrehten Film (den Ferrara dann als Film im Film mit Pasolinis zeitweiligem Lebenspartner Ninetto Davoli inszeniert) ganz selbstverständlich eine Szene in einer Schwulenbar.
Wenn "Pasolini" in Venedig am Samstagabend leer ausgeht, muss an der Dramaturgie solcher kultureller Großevents zu zweifeln begonnen werden: Natürlich eignet sich kein Platz der Welt besser für ein "Pasolini"-Biopic, das die letzten Stunden seines Lebens nachzeichnet, und darin aber doch sein ganzes Leben subsumiert. Welch Bildnis gäbe das: Der schwule Linke Pasolini, ermordet von rechten Homophoben, ausgezeichnet an einem Festival, das die Faschisten erfanden?

Russischer Alltag

Doch auch sonst zeigte sich der Wettbewerb überraschend stark: Alberto Barbera hat, allen Unkenrufen zum Trotz, ein stimmiges Programm aufgestellt, in dem es wenige echte Tiefpunkte gab. Erst spät in diesem Wettbewerb war die brillante Tragikomödie "A Pigeon Sat on a Branch Reflecting on Existence" zu sehen, der Schwede Roy Andersson hätte sich dafür mindestens den Regiepreis verdient, so verschroben lakonisch und sympathisch zeigt sich seine filmische Lebenssinnsuche. Auch der Russe Andrej Koncaloskij zeichnet einen Lebensalltag in Nordrussland in "The Postman’s White Nights" als Quasi-Komödie der Einsamkeit: Ein Postler liefert mit seinem Schnellboot die wenigen Poststücke und Zeitungen aus, die in dieser Einöde auf ihre Empfänger warten. Koncaloskij zeigt dabei in grandiosen Bildern ein Russland örtlicher, aber auch mentaler Distanzen. Der Chinese Wang Xiaoshuai wiederum erzählt in "Red Amnesia" im Stil eines Thrillers, wie eine ältere Dame in Peking zunächst scheinbares Opfer seltsamer Attacken wird, ehe man herausfindet, dass alles Lüge ist. Andrew Niccol zeigt in "Good Kill" Ethan Hawke als desillusionierten Ex-Armee-Flieger, der von einem Container in Nevada aus Drohnen steuert und in Afghanistan potenzielle Terroristen abschießt. Niccol erzählt mit den allzu glatten Mitteln des Blockbusterkinos, doch gerade dadurch wird dieser Film zu einer zugänglichen Anklageschrift gegen eine Nation, die den Kampf gegen den Terror längst selbst mit Terror führt.

Und dann war da noch Joshua Oppenheimers herausragende Doku "The Look of Silence" über die Täter des Genozids in Indonesien. Relevanter kann dokumentarisches Kino kaum sein. Es hätte wohl auch Pasolini gefallen.
Matthias Greuling, Venedig

Dienstag, 2. September 2014

Roy Andersson ist Favorit / Venedig 2014

Ist es Komödie, ist es Tragödie? So genau weiß man das bei „A Pigeon Sat on a Branch Reflecting on Existence“ (etwa „Eine Taube saß auf einem Zweig und dachte über das Leben nach“) des schwedischen Regisseurs Roy Andersson nicht. Sicher ist nur: Vieles in diesem Wettbewerbsbeitrag, das komisch sein könnte, ist zum Weinen, vieles, das uns trübe stimmen sollte, bringt zum Lachen. Und nach der Pressevorstellung am Dienstag in Venedig wusste man nicht nur, dass damit der Wettbewerb zur Hälfte des Festivals durchwegs anzog, sondern auch, dass es jetzt einen echten Favoriten gab. 
Roy Andersson (Mitte) mit seinen Darstellern. (Foto: Katharina Sartena)
Roy Andersson vollendet mit seinem neuen Film „eine Trilogie darüber, was es heißt, ein Mensch zu sein“, wie er im Vorspann betont. Der Regisseur hatte seine filmischen Tableaus bereits in „Songs from the Second Floor“ und „You, the Living“ als ziemlich unverwechselbar in der Arthaus-Szene etabliert, und mit „A Pigeon Sat on a Branch Reflecting on Existence“ setzt er seinem schnoddrigen Mix aus Stillleben und Nummernrevue die Krone auf. 
Andersson folgt zwei Handels-Vertretern durch Göteborg, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, ihren Kunden mit ihren Produkten zu „helfen, ein bisschen Spaß zu haben“, die ihre Verkaufsgespräche in stets entfärbtem Dekor aber so lakonisch und ernst vortragen, als seien sie auf einem Begräbnis. Sie bieten Dracula-Gebisse mit extra langen Zähnen feil, einen Lachsack haben sie auch im Programm, und eine gruselige Gummi-Maske. Die beiden dienen Andersson als Verbindungsglied zwischen seinen beinahe schon sketchartigen Miniaturen, die sich sehr langsam zu einem Ganzen fügen. Wenn zu Beginn ein Mann durch ein naturhistorisches Museum von Exponat zu Exponat wandert, so gibt das die Struktur des folgenden Films vor: Der Zuschauer wird die kommenden 100 Minuten das gleiche tun. „A Pigeon Sat on a Branch Reflecting on Existence“ hat 39 Szenen, also 39 Exponate. „Meine Ambition war es, dass jede dieser Szenen dem Publikum eine künstlerische Erfahrung bieten kann“, sagt Andersson.

Anderssons tragikomische Versuchsanordnung über das Leben und seine absurden Momente, über Stillstand und über den Tod ist dank seiner visuellen Umsetzung auch ein Forschungsobjekt am Menschsein: Die statische Kamera kommt nie näher als drei, vier Meter an die Protagonisten heran, man ist ihnen somit niemals zu nahe, kann sie dennoch eingehend observieren und hat auch den Eindruck, ein Gemälde zu betrachten. Andersson ließ sich für die Arbeit an seinem Film von Bildern von Otto Dix, Georg Scholz und Bruegel inspirieren. 
Innerhalb dieses Rahmens entwickelt Andersson eine komplexe, zugleich simpel wirkende Mise-en-scène, die stetig mit den Erwartungen des Zuschauers bricht und so trotz minutenlanger Einstellungen die Aufmerksamkeit erhält. „A Pigeon Sat on a Branch Reflecting on Existence“ gehört schon allein seiner Präzision wegen zu den stärksten Arbeiten dieses Festivals. Und auch inhaltlich: Was hier vor der Kamera passiert, ist so absurd, dass es keine Entsprechung kennt. Der Film hat außerdem eine Moral: Komödie und Tragödie, das lernen wir hier in diesem surrealen Setting, liegen manchmal nur Millimeter auseinander. Und dann sind wieder Kilometer dazwischen. Wie im echten Leben eben. 
Matthias Greuling, Venedig

Montag, 1. September 2014

Halbzeit beim Filmfestival Venedig: Fest der Spekulanten

“Was taugt der Wettbewerb bisher?”, fragt Benoît Jacquot zu Beginn des Interviews mit der “Wiener Zeitung”. Der französische Regisseur ist in Venedig mit seinem Liebesthriller “3 Coeurs” im Wettbewerb um den Goldenen Löwen vertreten. “Ich will Ihre Meinung hören, denn wenn der Wettbewerb insgesamt schwach ist, dann hat mein Film größere Chancen auf einen Preis”, schmunzelt Jacquot.
Ein Filmfestival ist immer auch ein Wettlauf um die goldenen Statuetten, um die Medienaufmerksamkeit und um die Präsenz, die Filme innerhalb des Festivals durch ihre Programmierung erhalten. Da können die idealistischen Gedanken vieler Filmemacher (“Filme sollten untereinander nicht konkurrieren”) getrost außen vor bleiben: Selbst im Arthaus- und Kunstfilm existiert ein Wettstreit darüber, wer den “besten” Film macht. Filme werden in den Kontext einer “Competition” gebracht, und verlieren damit den eigentlichen Sinn ihrer Entstehung: Um Geschichten zu erzählen, braucht es nämlich keine Awards, sondern Ideen.
Doch der Wettbewerbsgedanke ist so manchem Film in Venedig förmlich anzusehen: “Birdman”, mit dem hier eröffnet wurde, hat sich zur Aufgabe gemacht, die gestörte Schauspielerseele in fiebrigen, schwebenden Bildern einzufangen, und bietet am Ende doch nur eine gut konstruierte Startrampe ins Oscar-Rennen 2014 – vor allem für Michael Keaton und Edward Norton. Nicht viel anders ist das in Peter Bogdanovichs (erfrischender) Komödie “She’s Funny That Way” (außer Konkurrenz) mit Owen Wilson und Imogen Poots, die hier ungeniert, aber gelungen im cineastischen Fundus von Woody Allen wildert. Auch die beiden Filme mit Al Pacino, “The Humbling” von Barry Levinson und der Wettbewerbsbeitrag “Manglehorn” von David Gordon Green zielen letztlich auf die Oscars: Sie zeigen zwei solide Auftritte des Alt-Stars Pacino, auch, wenn die Filme drumherum überaus bemüht wirken.
Al Pacino, fotografiert von Katharina Sartena
Auch Fatih Akins neues Werk “The Cut” gehört in die Kategorie “bemüht”: Sein episch breit angelegtes Aufrollen des Völkermordes an den Armeniern im Jahr 1915 durch das Osmanische Reich (in der Türkei spricht man bis heute nicht von Völkermord) erschöpft sich in langen Wüsten-Überlebenskämpfen von vom Schicksal versprengten Existenzen, die trotz oder gerade wegen ihrer western-haften Machart am Thema vorbeischießen: Man spürt in jeder Einstellung die Last des gewichtigen Themas, die hier auf Akins Schultern gelegen haben muss.
“The Look of Silence” geht da ganz anders an ein ähnliches Thema heran. Der Film ist kompromissloses Forschungskino an der menschlichen Psyche: Joshua Oppenheimer hat ein “Sequel” zu “The Act of Killing” gedreht. Diesmal konfrontiert er eine Opferfamilie mit den Protagonisten des Genozids in Indonesien in den Jahren 1965/66. Die einstigen Massentötungen an “Kommunisten” sind auch nach 50 Jahren nicht aufgearbeitet, und die Täter können bis heute ihre Taten rechtfertigen – oder sie schweigen. Dieses Schweigen im Angesicht eines Verbrechens sorgte bislang für die stärksten Bilder dieses Festivals. 
Mit starken Bildern arbeitet auch Ramin Bahranis “99 Homes”. Spiderman-Darsteller Andrew Garfield spielt darin einen Mann, der aus seinem Haus delogiert wird; Bahrani bricht die Immobilienkrise von 2008 auf ein Einzelschicksal herunter, die Abwärtsspirale im Leben des Protagonisten lässt sich nicht mehr stoppen. Es ist ein entrischer Film. 

Catherine Deneuve, fotografiert von Katharina Sartena
Im Verbund dieser bisherigen Arbeiten könnte Benoît Jacquot mit “3 Coeurs” tatsächlich gute Chancen haben: Jacquot erzählt die Geschichte zweier bourgeoiser Schwestern aus der Provinz, die sich in den selben Pariser Finanzbeamten verlieben. Jacquots Melodram ist ebenso ein cleveres Konstrukt: Charlotte Gainsbourg und Chiara Mastroianni sind die Schwestern, Catherine Deneuve spielt die Mutter der beiden (und ist die Mutter von Mastroianni), Benoît Poelvoorde den begehrten Mann. Schon zu Beginn wummert ein bedrohliches Streicher-Ensemble aus dem Off, was die Stimmung des Films vorgibt. Jacquot hat einen Liebes-Krimi erzählt, in dem man sich niemals wohlfühlt, dem man sich dank der Promi-Besetzung aber auch nur schwer entziehen kann. “3 Coeurs” als spekulativ besetzte Stilübung? Warum denn nicht? Machen ja alle so.
Matthias Greuling, Venedig


Dieser Text ist auch in der Wiener Zeitung erschienen.