Donnerstag, 4. August 2016

Bill Pullman: Der Mann aus der zweiten Reihe


„Die Mädchen kriegten immer die anderen“, sagt Bill Pullman. In Locarno überreichte man dem Schauspieler einen Ehrenleoparden.

Er hat nie den Part des Verführers gespielt, sondern immer eher den Tollpatsch aus der zweiten Reihe. Er war ein unglaublich tapferer US-Präsident in „Independence Day“, und durchschritt für David Lynchs „Lost Highway“ das schwärzeste Schwarz der Filmgeschichte. Schauspieler Bill Pullman, inzwischen 62, ist das, was man in Hollywood einen Mann aus der zweiten Reihe nennt. Schauspieler, die man aufgrund ihrer Popularität gerne besetzt, denen man aber nie zutraute, einen Film ganz alleine zu tragen.
Bill Pullman in Locarno (Foto: K. Sartena)
„Meine Karriere verlief toll, ich kann mich nicht beklagen“, sagt Pullman, der den Ruf hat, ohnehin die noble Zurückhaltung zu lieben und sich darob nie in den Vordergrund zu spielen. Mit „Independence Day 2“ ist er derzeit in den Kinos, und das Festival von Locarno hat wohl auch deshalb (und wegen einer 35mm-Vorführung von „Lost Highway“) beschlossen, diesen Mann aus der zweiten Reihe einmal in die erste zu stellen.
„Ich war immer der zweite Mann neben dem, der das Mädchen gekriegt hat. Egal in welchem Film. Egal, ob es Jodie Foster in ‚Sommersby‘ war, Meg Ryan in ‚Schlaflos in Seattle‘ oder Nicole Kidman in ‚Malice‘, wo ich zwar ihren Ehemann spielte, aber sie eigentlich gar nicht wollte“. Erst in „Während du schliefst“ gelang Pullman die Eroberung des Herzens von Sandra Bullock. „Aber auch nur, weil der eigentliche Liebhaber von ihr den ganzen Film über im Koma lag. Das war geradezu ein leichtes Spiel“, amüsiert sich Pullman beim Publikumsgespräch in Locarno. 
Pullman sei nie der Typ für romantische Komödien gewesen und wurde genau deshalb des öfteren in ebensolchen besetzt. „Ich war in den 90ern der Anti-Typ für Rom-Coms, ein Element, das damals sehr beliebt war im Kino. Man brauchte ihn, um den ‚Leading Man‘ so richtig strahlen zu lassen“.
Mit „Independence Day“ brannte sich Pullman ins kollektive Gedächtnis der Blockbuster-Gemeinde. „Ein Film, der damals genau zur rechten Zeit kam. Ich spielte einen Präsidenten, der eigentlich keine Ahnung hatte, was er tat. Wer hat schon Erfahrung im Kampf mit Aliens?“, lacht Pullman. Zugleich sei der Film als Ensemble-Stück nicht nur ein grandioser Actionfilm gewesen, sondern auch ein zeitkritischer Kommentar, findet Pullman. „Wir haben hier die Vision des Deutschen Roland Emmerich realisiert, wie er unser Amerika sah. Das war absolut bemerkenswert, und ich fand es toll, dass es nun eine Fortsetzung gegeben hat“.
Bill Pullman in Locarno (Foto: K. Sartena)
Zugleich war Pullman ab Mitte der 90er Jahre auch Liebkind einiger von Amerikas Regiegrößen. Lawrence Kasdan drehte mit ihm „Wyatt Earp“, und David Lynch wollte ihn für „Lost Highway“. „Damals irrte ich für eine Szene durch völlige Dunkelheit“, erzählt Pullman. „Ich weiß noch, wie wichtig David dieses Schwarz auf der Leinwand war. Man sollte einfach gar nichts sehen. Erst später erfuhr ich, dass man mich filmte, nachdem man die Optik von der Kamera entfernt hatte, um den Schwarzeindruck zu verstärken. Ich wäre selbst bei Licht gar nicht zu sehen gewesen, aber Lynch wollte, dass ich meine Performance trotz Schwarz und trotz der fehlenden Optik so ernst spiele wie immer. David Lynch ist einer der größten, wirklich“. 
Dass man ihn in Locarno ausführlich gewürdigt hat, treibt dem bescheidenen Pullman dann doch die Röte ins Gesicht. „Ich war eigentlich nie darauf aus, dass es einen großen Rummel um meine Person gibt“, sagt er, und man merkt ihm an: So ein toller Preis wie der Ehrenleopard ist das bisschen Rummel durchaus wert. 

Matthias Greuling, Locarno

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