Dienstag, 28. August 2012

Der Rost, der bleibt – Der Lido vor dem 69. Festival

Man soll nur ja nicht glauben, dass es Ausnahmen von der Regel gibt. Zumindest nicht in Italien. Denn da galt schon immer das Prinzip „Außen Hui, innen pfui“ – Wer eine umfassende Fassaden-Renovierung bestellt hatte, bekam nicht selten eine einfach überpinselte Mauer. Sieht ja auch ganz nett aus, zumindest für kurze Zeit.
Auch am Lido von Venedig gilt dieses Motto. Denn hier, auf der Venedig vorgelagerten Insel, einem Bollwerk gegen das Meer quasi, rauben die Fluten nun mal gerne Land und die Gebäude leiden darunter. All der Sand und die salzige Luft, man kennt das ja. Rost ist bei den Italienern derzeit nicht nur als Modefarbe beliebt, sie kommt auch zuhauf in der Natur vor (und früher auch bei den nicht verzinkten Fiats).  Zumindest an jenen Plätzen am Lido, wo die Natur sich das von den Menschen Aufgebaute zurückerobert. Bei alten Waschanlagen etwa, wie dieses Foto zeigt:

Gleich hinter der touristischen Hauptstraße des Lido liegt dieses Prachtstück
vergangener Freiluft-Autowäschetage. Foto: Greuling
Aber man tut den Italienern ja unrecht: Vor ein paar Jahren noch war der Lido eine Pensionisteninsel mit Schlaglöchern, heute wird dafür allerorts gebaut und renoviert (die Pensionisten kommen immer noch). Viele Häuser zeigen sich in neuem Anstrich (ja, genau, dem), die Anlegestelle der Boote ist nagelneu und durchdesignt, aber auch schon ein bisschen rostig. Am Kreisverkehr wird eifrig gearbeitet, das Hotel des Bains ist im zweiten Jahr der Renovierung schon teilweise ausgehöhlt (in diesem legendären, voriges Jahr geschlossenen Hotel sollen Apartments errichtet werden), und ab kommendem Jahr wird das Excelsior, das zweite Nobelhotel generalsaniert.
All das passiert rund um den Neubau des Palazzo del Cinema, um den seit Jahren gestritten wird, und der nun doch nicht kommen soll. Die hässliche Baugrube mitsamt Asbestverseuchung, die drei Jahre lang frei lag (von wegen Meeresluft!), ist vorerst zumindest teilweise provisorisch zugemacht worden; der neue Leiter des Festivals, Alberto Barbera (der 62-Jährige war schon 1998 bis 2002 hier der Chef) will also zeigen: Am Lido geht was weiter! Stimmt. Nur in die Hinterhöfe darf man nicht schauen.
Neuerdings gibt es am Lido auch überall funktionierendes W-Lan, was bei den technikversierten Italienern an ein Wunder grenzt (gegenteilige Erfahrungen bitte posten!). Auch ein paar Schlaglöcher hat man zugemacht, dafür die Kurzparkzonen ein bisschen ausgedehnt. Schließlich muss das alles ja jemand bezahlen. Die Hoteliers sind wie üblich die größten Nutznießer dieses Festivals: Das 1-Stern-Hotelzimmer , in dem ich wohne, kommt mit 2-Quadratmeter-Nasszelle, schiefem Kasten und – erraten: übermaltem (!) Schimmel, kostet in diesem Jahr stolze 150 Euro pro Nacht. Der Preis unterm Jahr liegt bei 30 Euro. Im Zimmer steht an der Tür die Preisinfo: „Max. 198,- Euro“. Ich freue mich, denn wahrscheinlich hat mir der Hotelier Rabatt gegeben, weil ich schon so lange komme.
Nur die Pizza (Margherita für 5 Euro) und der Café (1 Euro an der Bar) sind gleich geblieben. Es gibt auch in Italien Dinge, die sind heilig. Die ändern sich nie. Wie der Rost. Der bleibt auch.

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