Sonntag, 19. Mai 2013

Joel & Ethan Coen mit starkem "Inside Llewyn Davis" in Cannes

Wenn in Cannes ein neuer Film der Brüder Joel und Ethan Coen gezeigt wird, sind die Kinosäle überfüllt wie selten. Das mag auch am miserablen, stürmischen Regenwetter gelegen haben, der die Kritiker ins Kino trieb, aber letztlich will jeder schlicht dabei sein, wenn die Coens ihre jetzt schon famose Filmografie mit viel Verve weiterschreiben.

"Inside Llewyn Davis" (Foto: Festival de Cannes)

Die Erwartungen wurden nicht enttäuscht: „Inside Llewyn Davis“ heißt das neue Opus, in dem die Coens in das New York der frühen 60er Jahre eintauchen; es ist die Zeit, in der in den Clubs von Greenwich Village Legenden wie Bob Dylan aus der lebhaften Folk-Musikszene geboren wurden. Der Film folgt dem Sänger Llewyn Davis (Oscar Isaac), der mit viel Inbrunst und Leidenschaft an seiner Musikkarriere arbeitet, dem aber letztlich trotz seiner wunderbaren Songs und der Qualität seines Könnens der Aufstieg aus den Hinterhof-Clubs verwehrt bleibt.
Die Odyssee, die Davis im Laufe des Films durchlebt, ist voller Rückschläge und enttäuschter Hoffnungen. Das reicht von der Zurückweisung durch seine Ex-Freundin (Carey Mulligan) über wenig Hoffnung verbreitende Vorsingen bei Konzertveranstaltern bis hin zu einer den ganzen Film dramaturgisch begleitenden entlaufenen Katze. Ja, bei den Coens darf trotz der Misere auch gelacht werden:  „Inside Llewyn Davis“ ist vielleicht der schönste Katzenfilm aller Zeiten.
Joel und Ethan Coen finden für die rauchige Atmosphäre in den Clubs den richtigen desaturierten Look, arbeiten in Bildsprache und Rhythmus angenehm zurückhaltend, ohne dabei ihre Handschrift zu verwässern. Es gibt famose Songs und außerdem einige Szenen, die Kultstatus erlangen könnten, darunter eine gemeinsame Jam-Session zwischen Isaac und seinem Musikerkollegen im Film, gespielt von Justin Timberlake.
Neu ist, dass die Regisseure hier nicht alles dem subtilen, schwarzen und sarkastischen Humor unterordnen, der ihre Filme kennzeichnet. Sie sind in der Lage, in voller Ernsthaftigkeit zu inszenieren und dabei durchaus metaphernschwanger den größten Trumpf dieser Geschichte des Scheiterns auszuspielen: Die Erkenntnis, dass Talent und Leidenschaft zwar Bedingung, aber keineswegs Garant für eine große Karriere sind. Irgendwo am Wegesrand muss sich Glück und Berechnung hinzugesellen. Und: Man sollte wissen, wo man hingehört. Die Katze im Film macht es vor.
Matthias Greuling, Cannes

Dieser Beitrag ist auch auf WZ-Online erschienen.

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