Portman war beim Filmfestival Venedig in „Jackie“ als Jackie Kennedy zu sehen - in den Tagen nach der Ermordung ihres Mannes.
Von Matthias Greuling, Venedig
Ihre Tränen versteckt sie gut: Wenn Jackie Kennedy einem US-Journalisten nur wenige Tage nach der Ermordung ihres Mannes ein großes Interview gibt, dann mimt sie Gefasstheit, die sie aber nicht hat. Sie bemüht sich nach Kräften, nicht zynisch zu sein, auch, wenn ihr das nicht gelingt. „Sie wollen doch sicher wissen, wie das Geräusch war, als die Kugel in seinen Kopf einschlug“, fragt sie den Journalisten. Später im Film wird er diese Frage tatsächlich stellen.
Natalie Portman (Foto: Katharina Sartena) |
„Jackie“, das US-Debüt des Chilenen Pablo Larrain, ist ein Film über Trauer, noch mehr aber über Verlust und vielleicht am meisten über das Versteckspiel, das Kokettieren mit den Medien, das der Politik immanent ist; Wenn Jackie Kennedy sich ein Stück weit öffnet im Interview, wenn sie Details preisgibt, die ihre wahren Gefühle beschreiben, kehrt sie am Ende ganz rasch wieder in den Modus Teflon-Pfanne zurück: „Glauben Sie ja nicht, dass sie das schreiben dürfen“. Sie zieht nervös an ihrer Zigarette. „Und ich rauche natürlich nicht“.
„Jackie“ ist eine sehr aufsichtige, geradezu frontale Untersuchung der vier Folgetage nach JFKs Ermordung in Dallas am 22. November 1963 - aber nicht um die Fakten geht es hier, sondern um die Befindlichkeit der First Lady, um das Leid für ihre Kinder, um den Ehemann, der nicht immer treu war, um ihre Wehmut beim Verlassen des Weißen Hauses und auch darum, wie rasch man sozusagen „aus dem Amt scheidet“, ein Amt, dass man auch mit Leidenschaft für das Land und für den Ehemann gestaltet hat. Jackie Kennedy hat sich der Etikette verweigert, hat das blutgetränkte Kleid, das sie im Wagen neben ihrem toten Ehemann getragen hatte, anbehalten, bis beide daheim in Washington gelandet sind, denn die Menschen da draußen sollten „sehen, was sie angerichtet haben“, sagt Jackie im Film.
Larrains Film ist kein Bio-Pic, sondern mehr als das: In seinem kurzen Darstellungsausschnitt von nur vier Tagen sagt er mehr über den Politbetrieb aus als viele andere, vergleichbare Polit-Filme. Der Mythos Kennedy wird dadurch aber keineswegs abgeschwächt, denn Larrain arbeitet sehr klug daran, sein Publikum nur nicht zu viel über die komplexen Innenwelten des Politbetriebes wissen zu lassen. Es geht auch darum, die Trauer einer Frau zu zeigen, der von einer Sekunde zur anderen der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Insofern ist „Jackie“ ein Film über Privates, Persönliches. Und hier entsteht der Widerspruch: Politik in dieser Größenordnung kann niemals privat bleiben. Die Kennedys markierten den Anfang des Medienzeitalters im Politikbetrieb. Sie mussten auch mit all seinen Konsequenzen leben.
In Venedig gab es bei der Premiere etliche „Bravo“-Rufe für Portman, die danach davon sprach, dass „sich diese Rolle wie meine bisher gefährlichste anfühlte“. Portman meinte: „Jeder hat sein eigenen Bild von Jackie Kennedy im Kopf - und man kann meine Darstellung mögen oder nicht. Ich war nie eine gute Imitatorin“, so Portman. Dennoch klappt ihre angestrengte Interpretation erstaunlich gut. Ein Umstand, der sie auch für den Preis als beste Darstellerin beim Filmfestival von Venedig qualifiziert. Und vermutlich auch beim Oscar-Rennen 2017.
Auch in der WZ erschienen
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