Rocco Siffredi ist Italiens bekanntester Pornostar und Gegenstand einer ernst gemeinten filmischen Auseinandersetzung mit dem Thema Sex
Von Matthias Greuling, Venedig
Wenn Rocco Siffredi, bürgerlich Rocco Antonio Tano, geboren 1964 in der italienischen Provinz, vor einem steht und die Hände schüttelt, könnte man denken, man hat es mit einem smarten, überaus gepflegten Geschäftsmann zu tun, Anfang 50, gut situiert, seriös und vor allem eloquent. Und genau all das ist er auch, nur das Geschäft, in dem er tätig ist, steht im Verruf. „Ich mache Pornos, seit ich denken kann und die Leute finden es schmuddelig“, sagt Siffredi. „Aber ich wollte meine Sexsucht eben zu meinem Lebensinhalt machen“.
Rocco Siffredi (Foto: Katharina Sartena) |
Siffredi ist das Thema der Doku „Rocco“ von Thierry Demaiziere und Alban Teurlai, die in Venedig ihre Uraufführung außerhalb des Wettbewerbs erlebte und gefeiert wurde. Die beiden Filmemacher haben sich dem „Italian Stallion“ (wie ihn seine Website bewirbt) auf eine sehr persönliche Weise genähert. Rocco, der in knapp 1700 Pornofilmen vor allem zeigen durfte, wie groß sein bestes Stück ist, und auch wie ausdauernd, erzählt hier aus dem Nähkästchen, wie Muttern ihm dereinst den Weg gewiesen hat, als er mit dem Wunsch, Pornostar zu werden, ankam: „Sie meinte: Wenn das wirklich das ist, was du machen willst, dann tu es!“, erzählt Siffredi und sagt: „Meine Mutter war und ist die wichtigste Frau in meinem Leben“. Ein Satz, den die meisten italienischen Männer wohl unterschreiben würden.
Rocco Siffredi rechnet überschlagsmäßig: „Ich habe 1700 Filme gemacht, im Durchschnitt jedesmal drei Frauen gehabt, hinzu kommen die Sonderdrehs an Wochenenden“. Wer rechnen kann, weiß: Dieser Mann hatte sehr früh aufgehört zu zählen. Und außerdem: „Es gab Filme, da war Rocco mit 100 Frauen zugange. Aber glauben Sie mir: Das macht keinen Spaß mehr“.
Rocco Siffredi erinnert sich an die Anfänge: „Das Ganze begann, als ich acht Jahre alt war, damals habe ich zum ersten Mal masturbiert. Und seit damals hat sich das Verlangen nach Sex immer nur noch mehr gesteigert. Als Pornoschauspieler habe ich 20 Jahre lang nicht mitbekommen, dass ich sexsüchtig war. Erst als ich ausgestiegen bin, wurde mir bewusst, wie süchtig ich wirklich bin“.
Rocco hat seine Sucht zum Beruf gemacht. Seine Website und die Filme verkaufen sich weltweit bestens, ein Dreh mit Rocco hatte den Ruf, „dass sich die teilnehmenden Pornodarstellerinnen danach erst einmal drei, vier Tage Urlaub nehmen mussten“,erzählt sein Cousin im Film, der bei allen Rocco-Produktionen die Kamera führt. Der Italian Stallion hielt, was er versprach. Und gibt den Mädchen, die er hier der Reihe nach flachlegt, auch gleich gute Ratschläge: „Wenn du nicht bereit bist, Analsex-Szenen zu drehen, dann wirst du im Pornogeschäft nur sehr wenige Aufträge bekommen“.
Für Rocco Siffredi, der bis heute ein Bild seiner verstorbenen Mutter bei sich trägt „und es mindestens einmal am Tag anschaut“, ist die Lust auf Sex auch mit 52 nicht weniger geworden, „ich kanalisiere sie nur anders“, verrät er. Worüber seine Ehefrau, eine ehemalige Make-up-Artistin bei den Pornodrehs, bestens bescheid wisse. Und auch seine zwei Söhne hätten von Anbeginn an gewusst, „was Papa arbeitet. Ich wollte nie ein Versteckspiel spielen“, so Siffredi.
Die Doku „Rocco“ lässt jedenfalls tief blicken in die Seele eines Mannes, der trotz der verpönten Arbeit, der er nachgeht, gar nicht anders konnte, als sie auszuüben. „Meine Frau hat mich immer verstanden, was auch der Grund ist, weshalb wir verheiratet sind. Sie versteht mich wie kein anderer Mensch“. Eifersucht gäbe es keine, denn „Rocco macht ja nur seine Arbeit“, sagt die Gattin einmal im Film.
Bedenklich findet Siffredi allerdings die Weise, wie sich die Pornobranche durch das Internet verändert hat. „Als ich anfing, da gab es in Pornos sogar noch eine Handlung. Heute muss es einfach möglichst rasch zur Sache gehen“, so Siffredi. „Die Auswirkungen auf unsere Jugend, die sich wie selbstverständlich schon im Alter von 12, 13 Jahren diese Pornos auf ihren Smartphones ansehen, wird man erst in 10, 20 Jahren erkennen. Ich halte diese stetige Verfügbarkeit für ein Problem, gegen das kein Gesetzgeber dieser Welt etwas tut“.
Denn Siffredi hat bei all dem Sex auch ein soziales und moralisches Gewissen. „Wenn bei Veranstaltungen junge Paare auf mich zukommen und mir das Mädchen sagt, ich möge doch bitte ihrem Freund beibringen, wie man sie richtig fest ins Gesicht schlägt, sie fesselt oder sie anspuckt, dann hört für mich der Spaß auf“, sagt Siffredi. „Was die Zuschauer begreifen müssen, ist: Wir Pornodarsteller machen hier keine Sexualkunde und keinen Unterricht. Wir machen eine Form der Unterhaltung“.
Schließen will Siffredi aber mit versöhnlichen Gedanken und auch damit, dass bei seinen Produktionen Frauen niemals unterdrückt oder ausgenutzt wurden. „Es ist ganz im Gegenteil so, dass sie bestimmen, wie weit man gehen darf. Sie sind es, die die Grenzen ziehen, und genau so sollte es sein. Erniedrigung und Unterdrückung haben keinen Platz beim Sex, nur das, was man seinem Gegenüber zu dessen Befriedigung schenken kann“.
Das klingt nach einer heilen Welt. Im Netz lässt sich kinderleicht nachprüfen, wie Roccos Frauen so drauf sind.
(Auch in der WZ erschienen)
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