„Musicals sind simpel, sie sind da zum Träumen“, findet Regisseur Damien Chazelle, der mit „La La Land“ das Filmfestival von Venedig eröffnete
Mit dem Musical „La La Land“ des jungen US-Regietalents Damien Chazelle („Whiplash“) haben die 73. Filmfestspiele von Venedig begonnen - und Festivalchef Alberto Barbera hat damit ein bisschen auch die Devise dieser Filmschau ausgegeben, die traditioneller und geschichtsbewusster mit dem Filmschaffen umgeht als andere A-Festivals. Venedig ist das älteste Filmfestival der Welt und hat darob auch eine Verantwortung der Filmgeschichte gegenüber. Weshalb man hier - nach Barberas Verständnis - am besten auch immer wieder Filme zeigt, die vollgestopft sind mit Referenzen an die Filmhistorie. „La La Land“ ist so ein typischer Venedig-Film, der Kitsch und Glamour mindestens ebenso abfeiert wie er mit großer Ernsthaftigkeit eine dramatische Liebesgeschichte durchdekliniert. Emma Stone und Ryan Gosling spielen zwei darbende Künstler im zeitgenössischen Los Angeles: Sie erfolglos als Schauspielerin, die von Vorsprechen zu Vorsprechen nur mehr noch frustrierter wird. Tagsüber jobbt sie im Café auf dem Studiogelände von Warner Bros. Das ist in Hollywood kein Einzelschicksal.
Emma Stone mit Fans (Foto: Katharina Sartena) |
Er ist ein dem Jazz verfallener, begnadeter Pianist, dessen einstige Arbeitsstätte, ein Jazzclub, durch einen Samba-Tapas-Laden ersetzt wurde. Also Samba aus dem Lautsprecher und Tapas für das leibliche Wohl. „Der Jazz stirbt“, ist seine schlüssige Diagnose.
„La La Land“ würde seine musikalischen Einlagen mit den überaus exakt und diszipliniert agierenden Akteuren Stone und Gosling gar nicht brauchen, um seine nahe am Kitsch und am Wasser gebaute Geschichte überzeugend zu erzählen, und doch sind es die Musical-Elemente, die Chazelles Hommage an die großen Zeit der Filmmusicals so richtig lebendig werden lassen. Stepptanz über den Hügeln von Los Angeles zur blauen Stunde oder eine perfekt choreografierte Eröffnungssequenz mit Tanz auf einer durch Stau lahmgelegten Autobahn sind in sich geschlossene Highlights des Films. Angenehm ist, dass Chazelle seine Referenzen an die gute, alte Zeit nicht zum Teil der Handlung per se macht, sondern stets im Heute bleibt; dadurch hat man nie das Gefühl, das „schon einmal gesehen zu haben“, sondern wohnt tatsächlich einer Novität bei: Ein stilistisch überhöhtes Musical im prinzipiell bodenständigen Milieu zunächst gescheiterter Künstler ist ein Balanceakt, der auch peinlich sein könnte. Dank der grandiosen Besetzung bleibt Chazelle das aber trotz so manch dick aufgetragener Szene erspart.
Nach Venedig an den Lido kam zur Premiere neben Chazelle nur Hauptdarstellerin Emma Stone, denn Ryan Gosling war am Set zur Neuauflage von „Blade Runner“ unabkömmlich. Die anwesenden Touristen und Fans hat’s nicht gestört - für sie zählte am Eröffnungsabend die Feierstimmung, mit der die Mostra del cinema begann. Dass es im Hintergrund zahllose verschärfte Sicherheitsmaßnahmen gab - von Durchfahrtssperren bis hin zu Hunderten Polizisten mit schusssicherer Weste und schwerer Bewaffnung - ist den meisten Gästen gar nicht aufgefallen - und auch beim Einlass der Gäste, der Presse und der Fotografen kam es kaum zu den vorab angekündigten nennenswerten Verzögerungen. Das könnte auch daran liegen, dass sich hier der Trend der letzten Jahre fortsetzt - und immer weniger Gäste an den Lido kommen. Sieht man sich das Filmprogramm der kommenden Tage an, das mit Werken von Wim Wenders, Francois Ozon, Denis Villeneuve, Mel Gibson, Pablo Larrain, Paolo Sorrentino oder Andrei Konchalovsky gespickt ist, steht zumindest fest: An den Filmen kann es heuer nicht liegen.
Matthias Greuling, Venedig
(Auch in der Wiener Zeitung erschienen)
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