Grimmig schauen kann er wirklich gut. Tommy Lee Jones hat seinen
Gesichtsausdruck sogar zu seinem Markenzeichen gemacht. Was also läge näher,
als gealterter Outlaw in einem Western die Hauptrolle zu spielen? Viel Mimik
braucht es dafür nicht.
Tommy Lee Jones hat mit „The Homesman“ seine zweite
Regiearbeit fürs Kino mit nach Cannes gebracht, nachdem er hier bereits 2005
mit „The Three Burials of Melquiades Estrada“ für Aufsehen sorgte: Sein
damaliges Regiedebüt strotzte vor frischen Ideen und ungewöhnlichen Zugängen –
was die Erwartungen für „The Homesman“ zusätzlich in die Höhe trieb.
Tommy Lee Jones mit Hilary Swank (Foto: Katharina Sartena) |
Als Outlaw George Briggs trifft Jones in „The Homesman“ 1850
auf die alleinstehende Siedlerin Mary Bee Cuddy (Hilary Swank), die mit seiner
Hilfe drei verrückt gewordene Frauen quer durchs Land in ein Sanatorium bringen
will. Die Unwegsamkeiten unterwegs sind vorprogrammiert. Die Story basiert auf
dem Roman von Glendon Swarthout, der durchaus Western-Erfahrung hat: Er schrieb
auch die Vorlage zu John Waynes letztem Film „The Shootist“ (1976).
Tommy Lee Jones in Cannes (Foto: Katharina Sartena) |
Die Tatsache, dass Luc Besson bei „The Homesman“ als
Produzent fungierte, ist ein Zeichen für Zugänglichkeit: Und so löst Jones
dieses Versprechen in Personalunion von Autor, Regisseur und Hauptdarsteller
sichtlich genussvoll ein: Jones weiß um sein Talent, in kraftvollen Szenen die
Handlung voranzutreiben und gönnt sich auch die eine oder andere (gar nicht
eitle) Großaufnahme. Der Western changiert zwischen dem genreüblichen
Gewaltpotenzial und Elementen der schwarzen Komödie, kommt aber auch nicht ganz
ohne Gefühl daher: Der Mix ist Tommy Lee Jones beinahe schon superb geglückt. „The
Homesman“ rückt den 67-jährigen Oscar-Preisträger Tommy Lee Jones in Cannes
durchaus in die Nähe eines Preises.
Das Filmteam in Cannes (Foto: Katharina Sartena) |
„Es ist ein Film über die Anfänge der Vereinigten Staaten.
Und da haben sie ausgerechnet einen französischen Produzenten dafür gebucht“,
sagte ein heiterer Luc Besson vor der Presse in Cannes. „Der Film zeigt ein Amerika, das wir so nicht
kennen. Alles ist sehr exotisch. Fast wie in einem Kurosawa-Film“. Jones recherchierte für den Look seines Films
hauptsächlich in altem Bildmaterial aus der Zeit um 1850. „Wir sahen uns alte
Fotografien an, und forschten nach, wie man damals mit Geisteskrankheiten
umging. Zum Beispiel verabreichte man Schizophrenen Eiswasser als Therapie“,
erzählt Tommy Lee Jones, der gar nicht einmal so sicher ist, ob „The Homesman“
als waschechter Western durchgeht: „Wir wollten einfach den bestmöglichen Film
machen. Wir haben nicht viel über das Genre nachgedacht, sondern wollten einen
Film drehen, der von der Geschichte der USA erzählt, und zwar aus einem sehr
persönlichen Blickwinkel“.
Dass man bei einem Western nicht umhin kommt, aus anderen
Vorbildern des Genres zu zitieren, weiß Regisseur Jones natürlich. „Aber Norman
Mailer hat einmal gesagt: Gute Künstler versuchen zu kopieren, geniale Künstler
versuchen zu stehlen. Ich versuche zu stehlen.“
Matthias Greuling, Cannes
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