Der Film beginnt mit einem Blick durchs Fernglas: Es zeigt
ein Mädchen, 16 Jahre alt, das am Strand liegt und sich in der Sonne räkelt.
Dann nimmt es sein Bikini-Top ab. Der Spechtler ist der ein paar Jahre jüngere
Bruder des Mädchens, beide machen mit den Eltern Sommerurlaub im Süden Frankreichs. Isabelle
feiert dort auch ihren 17. Geburtstag, und ihre Entjungferung (durch einen
deutschen Burschen). Ihrem Bruder gegenüber kommentiert sie diese für sie wenig
lustvolle Erfahrung nur knapp: „Erledigt“.
![]() |
"Young & Beautiful" von François Ozon. Foto: Festival de Cannes |
François Ozon hat in seinem neuen Film „Young &
Beautiful“, der in Cannes im Wettbewerb läuft, den Titel zum Programm gemacht: Das
vorerst laue Sommermärchen ist durchsetzt von sexuellen Anspielungen und
Phantasien seiner Protagonisten. Dabei steht zunächst noch die eigene Lust im Vordergrund,
bald aber wird für Isabelle aus dem Sexualtrieb die wohlkalkulierte Lizenz zum
Gelddrucken. Denn Ozon zeigt seine noch nicht volljährige Hauptfigur nach dem
Sommerurlaub in ihrer sonstigen Lebensumgebung (ein bürgerliches Umfeld in
Paris), aus der sie regelmäßig ausbricht: Als selbstständig organisierte Prostituierte
verdient sie gerade bei ihren älteren Kunden Unmengen an Geld. Erstaunlich, wie
dieses Mädchen, das sich im Job Léa nennt, den Sex zur strategischen Machtausübung
nutzt, obwohl ihr erstes Mal erst so kurz zurück liegt. Als sie auffliegt,
versteht ihre Mutter die Welt nicht mehr. Was ist in der Erziehung bloß schief
gelaufen? Aber das ist ein falscher Denkansatz, wenn man Léa verstehen will: Als
Léa blendet Isabelle aus, was man ihr in ihrer wohlbehüteten Kindheit beigebracht
hat.
Ozon hat mit Marine Vacth ein französisches Model in der
Hauptrolle besetzt, das ausdrucksstark und wortkarg genau jenes Bild der
fragilen Kindfrau mit dem Schmollmund und den großen Augen verkörpert, das die
Laufstege gerne vermitteln. Der perfekte Körper dient hier aber nicht als
Schauwert: Zwar ist „Young & Beautiful“ voller Szenen mit Verführung, Nacktheit
und Sex, aber sexy ist dieser Film
nie. Ozon umschifft gekonnt jede Konvention, die Erotik produzieren könnte.
Insgesamt aber ist „Young & Beautiful“ vor allem ein
Film, der (französische) Klischees bemüht. Es ist, als würde Ozon (auch mit dem
kurzen Auftritt von Charlotte Rampling) gern sich selbst reproduzieren, weil er
schon so oft Bilder über Perfektion und über das Streben nach der reinen
Schönheit gemacht hat. Jetzt, da man Ozons Handschrift schon deutlich kennt,
wirken diese selbstreferenzierenden Klischees Fehl am Platz, auch wenn Ozon
niemals expliziter von seinem Lieblingsthema erzählt hat: Dem oft schmerzlichen
Prozess des Erwachsenwerdens.
Matthias Greuling, Cannes
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen