Noch bestimmen eher betagte Touristen das Bild von Cannes.
Wenn aber in dem einstigen kleinen Fischerdorf ab 15. Mai die Filmprofis aus
aller Welt einfallen, verwandelt sich dieser Ort in das Mekka des Filmgeschäfts
und wird für 10 Tage zur Pilgerstätte für die Fans von Superstars wie Leonardo
DiCaprio, Emma Watson, Ryan Gosling oder Carey Mulligan. Täglich auf dem roten
Teppich werden unter anderem Steven Spielberg, Christoph Waltz und Nicole
Kidman zu sehen sein, denn sie gehören zur internationalen Jury, die über die
insgesamt 19 Filme im Wettbewerb um die Goldene Palme abstimmen werden.
Cannes |
Noch wird in Cannes allerorten geschraubt, gehämmert und
gebohrt, denn das Palais des Festivals will auf Vordermann gebracht werden.
Besonders sorgfältig geht man beim Auslegen des roten Teppichs vor, der mit
einer Plastikfolie überzogen ist. Erst wenn am Mittwoch die ersten Stars
darüber laufen, kommt die Folie weg.
Zur Eröffnung am Mittwoch läuft beim 66. Festival de Cannes
Baz Luhrmanns 3D-Spektakel „Der große Gatsby“ – ein Bombast-Remake des
Klassikers von 1974, basierend auf F. Scott Fitzgeralds berühmtem Roman. Der
Film, der schon am Freitag regulär in den Kinos anläuft, hatte bereits seine
Weltpremiere in New York, doch Cannes wollte nicht auf die Starinvasion für seinen
Auftakt verzichten; und das, obwohl man in Cannes eigentlich auf
Welturaufführungen besteht. Aber zu wichtig ist die Coverage der insgesamt 4000
anwesenden Journalisten am Starttag – Cannes will schließlich die
unangefochtene Nummer eins unter den Filmfestivals bleiben. Das geht aber nur
mit viel Pomp, Glamour und wilden Partys. Die werden meist entlang der
Prachtstraße „La Croisette“ veranstaltet, in den noblen Hotels (vom Carlton bis
zum Majestic) oder den vorgelagerten Stränden – bis jetzt sind dort aber nur
viele Baustellen, und große LKW schaffen Ton- und Bühnenequipment heran.
Damit das Festival auch seinen Ruf als künstlerisch hochwertige
Veranstaltung festigt, sind im Wettbewerb auch in diesem Jahr wieder etliche
neue Werke arrivierter Filmemacher zu sehen: Allein aus Frankreich sind acht
Filme im Bewerb, darunter die neuen Arbeiten von Francois Ozon, Abdellatif
Kechiche und Valeria Bruni-Tedeschi. Stark vertreten ist auch das asiatische
Kino mit Filmen von Jia Zhangke, Takashi Miike und Kore-Eda Hirokazu. Fehlen
dürfen aber auch nicht die „Cannes Regulars“: Die Coen-Brüder stellen ihren
Film „Inside Llewyn Davis“ über die New Yorker Folk Music-Szene der 60er Jahre
vor, Steven Soderbergh zeigt seinen definitiv letzten Film vor der selbst verordneten
Regie-Pause, „Behind the Candelabra“ mit Michael Douglas und Matt Damon. Von
James Gray kommt das in den 1920ern angesiedelte Einwandererdrama „The
Immigrant“ (mit Marion Cotillard), von Jim Jarmusch „Only Lovers Left Alive“.
Mit dem Bangkok Crime-Thriller „Only God Forgives” kehrt der Däne Nicolas
Winding Refn in den Wettbewerb zurück, nachdem er hier schon den Regiepreis für
“Drive” abstaubte – sein Hauptdarsteller heißt erneut Ryan Gosling. Altmeister
Roman Polanski wird nicht nur sein neuestes Werk „La Venus a la Fourrure“
präsentieren, sondern auch eine Doku über Formel-1-Legende Jackie Stewart. Die
Nebenreihe „Un certain regard“ wird mit Sofia Coppolas „The Bling Ring“
eröffnet, in dem Teenager in die Villen gut betuchter Hollywood-Stars einsteigen.
Emma Watson spielt eine der Einbrecherinnen, keinen bestohlenen Star,
wohlgemerkt.
Derweil strahlt in Cannes noch die Sonne vom azurblauen
Himmel, doch für den Beginn des Festivals wurde eine Schlechtwetterfront vorhergesagt,
die sich über mehrere Tage halten soll. Was wiederum ein Deja-vu zum Vorjahr
ergäbe: Damals fand die Premiere des späteren Cannes-Siegers „Amour“ von
Michael Haneke bei Platzregen und Sturmgewitter statt. Vielleicht ein gutes
künstlerisches Omen für jene Filme, deren Premieren heuer ins Wasser fallen
werden: Sie haben mitunter – siehe „Amour“ –
eine große Karriere vor sich.
Matthias Greuling
Das Filmfestival von Cannes beginnt am 15. Mai. Offizielle Seite: www.festival-cannes.fr
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