Ben Affleck und Rachel McAdams in Terrence Malicks "To the Wonder" (Foto: La Biennale di Venezia) |
Dieser Ausnahmekünstler hat seinen späten, intensiven Schaffensdrang
nun mit seinem neuesten Film bestätigt: „To the Wonder“, ein elegisches, aber
auch episches Liebesdrama, wurde bei seiner Presse-Premiere im Wettbewerb um
den Goldenen Löwen in Venedig gleichermaßen mit Applaus und Buh-Rufen bedacht;
viele Kritiker sprachen in ersten Reaktionen von einer inhaltsleeren
Restverwertung von „Tree fo Life“, auch, weil der Film in diesem ganz
eigentümlichen visuellen Stil einer sich ständig bewegenden Untersicht verbleibt,
die schon „Tree of Life“ eine beinahe kindliche Perspektive auf die Welt
verlieh. Andere monierten die offensichtliche Verliebtheit des Regisseurs in
die wunderschönen Züge seiner russischen Hauptdarstellerin Olga Kurylenko; das
Ex-Bond-Girl aus „Ein Quantum Trost“ lässt sich als (traum-)tänzerische Frau
auf der Suche nach wahrer Liebe sprichwörtlich in die Arme von Ben Affleck fallen und
(lust)wandelt einer Ballerina gleich durch unzählige Sonnenauf- und
–untergänge. Eine Altherrenphantasie sei das, eine ästhetisierte Fleischbeschau
zwischen sexy Augenaufschlag und Körperbildern einer elfenhaften Kindfrau.
Natürlich, so kann man diesen Film sehen, aber man kann auch
hinter den Effekt von Malicks Bildern blicken, auf den Kern dieser poetischen,
feinsinnigen Abbildung über das Betrügen und über das Betrogenwerden. Die
Geschichte erschließt sich über die sehnsüchtigen Bilder und die noch
sehnsüchtigeren Voice-Over-Texte der Protagonisten. Klassisch filmisch
aufgelöste Szenen und Sequenzen gibt es hier nicht, alles gleitet wundersam
ineinander, ist ein ruhiger Fluss ohne sichtbare Ufer, wie das Leben selbst.
Die Struktur des Films gleicht mehr einer fließenden, nach allen Richtungen
offenen Komposition denn einer abgeschlossenen Filmerzählung im 3-Akte-Schema.
„To the Wonder“ beginnt als Liebesromanze am Mont St. Michel
in Frankreich, zu dem das verliebte Paar Marina und Neil (Kurylenko, Affleck)
pilgert. „We climbed up the steps to the wonder“, heißt es im Off, während sie
die Stufen emporsteigen und oben in gemeinsamer Glückseligkeit verharren.
Später wird man in „To the Wonder“ wieder Stufen sehen, auf die Malick
überdeutlich hinweist; es sind die Stufen zu einem Stundenhotel, in dem Marina
Neil mit einem Fremden betrügen wird, weil sich in ihrer Gefühlswelt so einiges
verschoben hat. Aber auch Neil wird mit seiner Jugendliebe Jane (Rachel
McAdams) intim. Ein Priester (Javier Bardem) zweifelt dazwischen immer wieder
an seiner Gottes-Berufung und bringt damit Malicks Thema auf den Punkt: Das
Konzept einer lebenslangen, ewig lodernden Liebe darf zumindest angezweifelt
werden, und niemand kann darauf vertrauen, die
eigenen Gefühle auf Dauer bändigen zu können.
„To the Wonder“ ist zudem ein Zeugnis von Terrence Malicks
ungeheurem Urverständnis für die Ästhetik der Natur und die überwältigende
Kraft der tiefstehenden Sonne, die alles Tun in ihrem Lichte romantisiert,
verklärt, aber auch bedrohlich werden lassen kann. Der visuelle Link zu „Tree
of Life“ weist aber keine Resteverwertung übriggebliebener Ideen auf, sondern
erweitert das Spektrum des Familiendramas um den Aspekt der romantischen
Verklärung zwischenmenschlicher Beziehungen, aus denen es meist ein böses
Erwachen gibt. „To the Wonder“ ist eine visuell wie auch erzählerisch
intelligente Auseinandersetzung mit der „Lust & Trust“-Unvereinbarkeit
modernen Zusammenlebens. Er ist aber auch eine betörend schöne Abbildung
seelischer Pein und sehnsüchtiger Erwartung. Wenn Olga Kurylenko den ganzen
Film über immer wieder im Spitzlicht der Sonne tanzt, dann sind das
schwebend-leichtfüßige Momente voller kinematografischer Kraft, in einem der
schönsten Filme seit vielen Jahren.
- Matthias Greuling, Venedig
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