Die Berlinale ist eröffnet, zeigte zum Auftakt mit „Isle of Dogs“ Wes Andersons neuesten Animationsfilm und brachte Stars wie Tilda Swinton, Bill Murray oder Jeff Goldblum nach Berlin. Sie alle leihen den animierten Hunden in „Isle of Dogs“ ihre Stimmen. Der Film erzählt in typischer Anderson-Manier schräg und skurril von einer japanischen Stadt, in der alle Hunde auf die Müllhalde verbannt werden, was diese natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Wes Andersons Fans kommen auf ihre Kosten, all jene, die Probleme mit seinem Universum haben, haben diese wohl weiterhin. Anderson entwirft ein spaßiges Kindermärchen, aber ein zutiefst politisches, das auch von unser aller Zusammenleben handelt und zeitgemäße Fragen aufwirft.
"Waldheims Walzer" von Ruth Beckermann (Foto: Ruth Beckermann Filmproduktion) |
Nicht weniger zeitgemäß, dafür gar nicht spaßig, ist Ruth Beckermanns neuer Film, der einen Reigen österreichischer Beiträge bei der Berlinale eröffnet. Es ist eine Politaffäre ungemeinen Ausmaßes gewesen, der das politische Österreich nachhaltig verändert hatte. Die Kandidatur von Kurt Waldheim für das Bundespräsidentenamt im Jahr 1986 und die Frage nach seiner Verantwortung als ehemaliges Mitglied der SA ging als Politbeben in die Geschichte ein. Die Wiener Filmemacherin Ruth Beckermann hat in ihrer Doku „Waldheims Walzer“ nun analysiert, wie die Prozedur ins Rollen kam; Beckermann verwendet ausschließlich Videomaterial aus dem ersten Halbjahr 1986, zumeist aus ORF-Archiven, manches auch mit eigener Hand gedreht, um die mediale Dynamik des Falls Waldheim aufzuschlüsseln. Der Film hat heute, Samstag, bei der Berlinale in der Nebenreihe Forum seine Weltpremiere, eine Sektion, die dem innovativen, unkonventionellen Kino gewidmet ist. Beckermanns Film kommt zu einer Zeit, in der man in der internationalen Politik von „alternativen Fakten“ spricht und die Presse als „Lügenpresse“ verunglimpft wird. Das macht „Waldheims Walzer“ ungemein und ungeheuerlich zeitgemäß. „Ich stelle von Beginn an klar, dass es sich um einen Film aus der Position einer Aktivistin von damals handelt“, schildert Beckermann ihre Beweggründe. „Ich denke, es ist eine Funktion des Kinos, Stellung zu beziehen und transparent zu machen, aus welcher Perspektive man die Dinge betrachtet. Im Gegensatz zum Fernsehen, das die Dinge nivelliert oder zu den sozialen Medien, die in der eigenen Blase agieren. Es macht die Kraft des Kinos aus, widerständig zu sein und gleichzeitig klarzustellen, aus welcher Richtung die Autorin dieses Material aufbereitet“.
Ebenfalls im Forum läuft Ludwig Wüsts experimentelles Drama „Aufbruch“, in der der Regisseur selbst an der Seite von Claudia Martini zu sehen ist; beide spielen ein getrenntes Paar, das sich erneut begegnet. Mit „L’animale“ von Katharina Mückstein ist eine Jugendstudie in der Sektion „Panorama“ zu sehen, in der die Regisseurin Burschen und Mädchen beim Erwachsenwerden beobachtet. Auch einige Koproduktionen sind in Berlin zu sehen: In „The Interpreter“ (Regie: Martin Sulik), der gemeinsam mit der Slowakei entstand, geht ein alter Mann (Jirí Menzel) auf die Suche nach dem einstigen SS-Hinrichter seiner Eltern, findet aber nur dessen 70-jährigen Sohn (Peter Simonischek), der mit Alkoholproblemen zu kämpfen hat. „Styx“ von Wolfgang Fischer, eine Koproduktion mit Deutschland, zeigt Susanne Wolff als toughe 40erin, die sich auf einem Segelturn im Meer finden will, dafür aber nach einem Sturm mitten in die Wirren eines kenternden Bootes mit 100 Ertrinkenden gerät, und entscheiden muss, welche Verhaltensweise nun die richtige ist.
Mit Spannung erwartet wird vor allem von der deutschen Presse die französisch-deutsch-österreichische Produktion „3 Tage in Quiberon“ (Regie: Emily Atef), die von einer Begegnung zweier Journalisten mit Romy Schneider erzählt, als diese Anfang 1981 zur Reha im französischen Kurort Quiberon eingecheckt hatte. Interview und Fotos zeichnen das Bild einer lebensfrohen, aber kaputten Legende, und in der schwarzweißen Verfilmung dieser Begegnung schlüpft Marie Bäumer in die Rolle der Schneider - mit optisch verblüffender Ähnlichkeit zum Original. Ob sie auch inhaltlich authentisch ist, wird sich zeigen: Premiere ist am Montag im Wettbewerb um den Goldenen Bären.
Matthias Greuling, Berlin
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