In Bozen feiert das lokale Filmfestival seinen 30er. Alles soll neu werden, dabei aber auch traditions- und selbstbewusst bleiben - wie für Südtirol typisch.
Von Matthias Greuling aus Bozen
Wer über den Walther-Platz und durch die umliegenden Gässchen der Bozener Altstadt schlendert, muss nach wenigen Minuten den Eindruck gewinnen, die Südtiroler befänden sich tatsächlich in einer einzigartigen und großartigen Lage: Eine Alpenfestung und liebreizende Stadt wie bei vergleichbaren Orten in der Schweiz, gesegnet mit den Vorteilen der Tiroler und der italienischen Kultur gleichermaßen: Hier gibt es italienische Mode, österreichisches Alpen-Flair und einen Hauch Wiener Kaffeehaustradition. Das erste Kaffee am Platz hat über 70 Tageszeitungen - davon kann man sogar in Wien nur träumen. Aber - das muss gesagt sein - hier generiert sich die große Auswahl halt aus dem Mix der Sprachen. Auch kulinarisch setzt sich diese Mischung fort: Ein Speckgröstl schmeckt hier mindestens genauso gut wie ein Ossobuco alla milanese.
Inmitten dieses vielfältigen Alpenidylls im autonomen Südtiroler Gebiet hat sich das Filmfestival Bozen ebenso der Abbildung der Vielfalt verschrieben - und zwar aus dem deutschsprachigen Raum ebenso wie aus Italien. Filmkultur kennt keine Grenzen, dieses Motto lebt man in Bozen.
Festivalchefin Helene Christanell (Foto: K. Sartena) |
Die langjährige Leiterin der Filmschau, Helene Christanell, gab zum 30. Geburtstag der bisher als „Filmtage Bozen“ bekannten Schau die Devise aus: „Neuer Name, neues Erscheinungsbild, neue Programmpunkte, mehr Spielstätten“. Das Festival, 1987 vom umtriebigen Filmclub-Bozen-Mitbegründer Martin Kaufmann erfunden, steht bis heute in seiner künstlerischen Verantwortung. Kaufmann hat in seiner Eigenschaft als Filmtage-Erfinder vor allem mit vielen anderen kleinen Filmfestivals kooperiert; man hat sich gegenseitig geholfen über die Jahrzehnte, und heute ist man auch deshalb verdient zu einer Institution geworden. Es geht alles leger zu hier, es braucht keine roten Teppiche und keine Champagner-Empfänge, denn der Südtiroler Wein ist ohnehin eine Klasse für sich. Der ORF berichtet in seiner Südtirol-Heute-Sendung über das Event, ebenso wie lokale italienische Sender. Zur Eröffnung im Capitol Kino gibt es für die Premierengäste Brot und kalte Platte. Das ist bewusst rustikal, gebirgig. Anderswo, sagte Kaufmann in einem Interview, gäbe es „Kaviarbrötchen und was weiß ich alles, bei uns gibt es eben Speck und Schüttelbrot“.
Neuer Name: Früher hieß die Veranstaltung "Bozener Filmtage" |
Das Programm der beiden Wettbewerbe (Spiel- und Dokumentarfilm) war eine Mischung aus Festival-Highlights wie „Bella e perduta“ von Pietro Marcello, „Nichts passiert“ mit Devid Striesow oder „Thank You for Bombing“ der österreichischen Regisseurin Barbara Eder, die damit bei der Diagonale Premiere feierte, sowie aus neuen, noch kaum bekannten Filmen wie die deutschen Produktionen „Agnes“ von Johannes Schmid oder „Herbert“ von Thomas Stuber, der am Ende den Spielfilmpreis gewann. Bei den Dokus stand unter anderem „Lampedusa im Winter“ des Wieners Jakob Brossmann auf dem Spielplan (ausgezeichnet als beste Doku), oder auch die Doku „To Make a Comedy is No Fun“ von Robert Kolinsky, der sich darin mit Leben und Werk des tschechischen Oscar-Preisträgers Jiri Menzel auseinandersetzt. Der 77-jährige Menzel war so etwas wie der Star-Gast des Festivals, wo er, der einst von der Filmschule als talentlos abgewiesene Filmemacher, in kleinem Rahmen Anekdoten über das Filmemachen zwischen Oscar und Eisernem Vorhang ausplauderte.
Jiri Menzel (Foto: K. Sartena) |
Infos und Preisträger: http://filmfestival.bz.it
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen