Die 13. Festivalausgabe von Crossing Europe endet heute,
Montag, die insgesamt mit 28.500 Euro dotierten Preise wurden aber schon am
Sonntagabend im Ursulinensaal des oberösterreichischen Kulturquartiers, der
Heimstätte des Festivals, vergeben. "Wer hier in Linz erstklassiges
europäisches Kino sehen will, kommt an dieser Filmschau nicht vorbei", ist
sich ein Besucher sicher, der von einer "Durchmischung" des Publikums
spricht: "Hier sind nicht nur Leute vom Film, sondern auch ganz normale
Kinogeher wie ich. Das Festival ist deshalb so populär, weil es sich eben nicht
elitär gibt." Und das ist bei weitem keine Einzelmeinung.
"Babai" von Visar Morina |
Mitunter zeigt das von Christine Dollhofer seit der Gründung
geleitete Filmfestival Crossing Europe recht sprödes Kino, immer aber auch
Entdeckungen aus den hintersten Winkeln der Gesellschaft. Das spiegelt sich
auch bei den prämierten Filmen: Der Preis für den besten Spielfilm wurde in
diesem Jahr geteilt und ging ex aequo an den Kosovaren Visar Morina für dessen
Drama "Babai" sowie an die Französin Rachel Lang für "Baden
Baden". In "Babai" ("Vater") erzählt Morina in überaus
nüchternen Bildern von der Lebenswelt von Nori, eines zehnjährigen Buben im
Kosovo vor dem Krieg: Zu Beginn der 1990er Jahre ist das Leben hier nicht
gerade rosig, Nori und sein Vater Gezim schlagen sich mit dem Verkauf von
Zigaretten durch. Der Verbleib der Mutter ist ein Geheimnis, das der Vater für
sich behält. Nach einem Unfall erwacht Nori im Spital, sein Vater hingegen hat
sich nach Deutschland abgesetzt. Unter widrigsten Umständen folgt ihm Nori. Es
ist die Geschichte einer Flucht und eines Flüchtlings, hochaktuell und doch aus
einer anderen Zeit. Regisseur Morina lässt sich in seinem Debütfilm viel Zeit,
den hochdramatischen Ereignissen seines Plots mit größter dramaturgischer Ruhe
zu begegnen. Die Jury lobte besonders, dass "Babai" von Gefühlen
erzählt, ohne dabei in Sentimentalität zu verfallen.
In "Baden Baden" bricht die 26-jährige Ana ihre
Zelte bei einer belgischen Filmproduktion ab und zieht zurück in ihre Heimat
Straßburg, wo sie dem Trubel eines für sie falschen Lebensweges entkommen will.
Sie verordnet sich neue Aufgaben, wie etwa die Renovierung des Badezimmers
ihrer Großmutter. Die junge Frau steckt mitten in einem Selbstfindungsprozess,
der dem Film auch Momente (schwarzen) Humors verschafft; Regisseurin Rachel
Lang pendelt gekonnt zwischen experimentellem Erzählen und emotionalem Drama,
am "Grenzbereich zwischen persönlicher Tragödie und Komödie", so die
Jury.
Als besten Dokumentarfilm zeichnete man in Linz die
schweizerisch-portugiesische Produktion "Rio Corgo" von Maya Kosa und
Sergio da Costa aus. Die beiden folgen darin dem Lebenskünstler und ewigen
Herumtreiber Silva, der sich als Clown ebenso durchgeschlagen hat wie als
Maurer oder Regenschirm-Reparateur. In einem kleinen portugiesischen Städtchen
scheint er das Ziel seiner langen Reise gefunden zu haben. Kosa und da Costa
zelebrieren ihr Porträt als langsam getaktetes Abbild vom ruhigen Fluss des
Lebens.
Matthias Greuling
(Dieser Beitrag ist auch in der Wiener Zeitung erschienen)