Bei drückender Hitze wurden am Mittwoch die 68. Filmfestspiele von Locarno eröffnet - mit Jonathan Demmes Film „Ricki and the Flash“. Darin spielt Meryl Streep eine Frau, die auszog, um als Rockstar Karriere zu machen, und später zu ihrer Familie zurückkehrt, um dadurch entstandene Beziehungs-Fehler auszumerzen.
Edward Norton mit seiner Frau Shauna (Foto: Katharina Sartena) |
Der Film ist wie gemacht für das Piazza-Publikum: Die 8000 anwesenden Gäste genossen die Vorstellung im ausverkauften, größten Open-Air-Kino Europas. Dass „Ricki and the Flash“ nicht allein mit der wunderbaren Meryl Streep aufwarten kann (was an sich schon Grund genug für einen Kinobesuch wäre), ist auch Kalkül der Filmemacher: In der zweiten weiblichen Hauptrolle ist nämlich Streeps Tochter Mamie Gummer zu sehen. Mutter und Tochter ergeben auf der Leinwand ein adrettes Gespann, die Dialogzeilen dazu stammen von „Juno“-Autorin Diablo Cody.
Piazza Grande (Foto: Katharina Sartena) |
Nach Locarno hatten es Streep und Gummer allerdings leider nicht geschafft. Dafür gab sich ein anderer Weltstar die Ehre: Edward Norton erhielt an diesem Abend den Moet & Chandon Excellence Award, den der Champagner-Hersteller als einer der Hauptsponsoren des Festivals auslobt. Es ist der Versuch, dem Schweizer Festival am Lago Maggiore auch ein bisschen Hollywood-Glanz zu verschaffen - allein mit dem Filmprogramm, das der künstlerische Leiter Carlo Chatrian hier in seinem zweiten Jahr zusammengestellt hat, wäre dies freilich nicht möglich: Chatrian ist Verfechter der Filmkunst, der Wettbewerb zeigt darob hauptsächlich Arbeiten arrivierter und junger Autorenfilmer, darunter in diesem Jahr neue Werke von Otar Iosseliani, Athina Rachel Tsangari, Hong Sang-soo oder Chantal Akerman. „Unsere Filme sind unsere Stärke“, sagte Chatrian unisono mit Festivalpräsident Marco Solari, der zugleich auch der Tourismus-Chef der Region Tessin ist. Hier hat man Interesse am Hollywood-Flair, doch Verrat an der Idee der Filmschau kann man auch nicht begehen: Und so fährt Locarno, dieses kleinste aller A-Festivals, seit einigen Jahren einen Kurs zwischen viel Kunst und ein bisschen Glamour: Da sind einerseits die manchmal famosen, manchmal aber auch laschen Kunst-Experimente, andererseits die mal mehr, mal weniger publikumsträchtigen Stars: Doch auch bei deren Auswahl bleibt man sich relativ treu: Es ließe sich wohl nur schwer behaupten, Edward Norton sei ein Schauspieler des Mainstreams. „Kunst“ kommt nicht von „Kommerz“: Wahrscheinlich ist Norton gerade deshalb auch hier her gekommen.
Matthias Greuling, Locarno
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