Jesse Eisenberg in "Night Moves". Foto: La Biennale di Venezia |
Die Schiffsbombe, sie ist das Werk dreier Umweltaktivisten,
die nicht mehr länger zusehen wollen, wie die Amerikaner mit ihren Ressourcen
umgehen: Der hydroelektrische Damm, den sie zerstören, erzeugt den Strom, der
in Millionen All-American Homes tagtäglich für die permanent laufenden
Riesen-Flatscreens verschwendet wird und für die Springbrunnen in den hübsch und
kitschig zurecht gemachten Gärten.
Sehr früh in diesem asketisch und doch facettenreich
gestalteten Film wird klar, dass die Aktivisten Josh (Jesse Eisenberg), Dena
(Dakota Fanning) und Harmon (Peter Sarsgaard) nicht mit der Schuld leben werden
können, die sie sich mit ihrer Aktion aufgeladen haben: Dena ist die
Schwachstelle im Trio, mit ihr bricht schließlich der emotionale Damm aus
Verlogenheit und Tatsachen-Negierung, mit fatalen Folgen für sie.
Kelly Reichardt, die besonders in ihrem letzten Film „Meeks
Cutoff“ mit ihrer sparsamen, aber dafür umso effektiveren Inszenierungsweise
gefiel, hat in „Night Moves“ ihren Stil perfektioniert. Erneut ging sie für
ihre Geschichte von einer Landschaft und ihrer Eigentümlichkeit aus, diesmal
aber ist es nicht die Prärie, sondern ein rurales Gebiet, irgendwo im
US-Bundesstaat Oregon. Da, wo die Farmer Broccoli und Kürbisse anbauen und von
der Welt nicht viel wissen: Für einen Blick ins Internet müssen sie in die
Stadt fahren, zur öffentlichen Bibliothek, wo ein Computer steht. Das Setting
ist urtümlich, aber doch bedrückend: Die Naturverbundenheit auch dieser
Menschen endet beim Dünger, den sie von den großen Nahrungsmittelkonzernen per
Vertrag aufgedrückt bekommen, um die Perspektive einer konventionellen
Landwirtschaft mit stetig wachsendem Ertrag zu erfüllen.
Das ist zwar niemals Thema in „Night Moves“, jedoch
schleicht sich diese Zustandsbeschreibung unserer absurd gewordenen Komfortwelt
zwischen Naturausbeutung und Ertragssteigerung in jede Einstellung ein. Reichardt
benutzt für das Thema die Charakteristika eines Suspense-Thrillers der alten
Schule: Leicht pulsierende Sounds begleiten die Aktivisten vor und nach der
Tat; das Unheilvolle liegt in der Luft. Niemals kommen sie zur Ruhe, in dieser
von absoluter Ruhe geprägten ländlichen Gegend. Zu schwer wiegt bei Dena das
Gewissen, etwas Unrechtes mit Unrecht bekämpft zu haben, und zu kaltschnäuzig
ist Joshs Reaktion darauf. Er will für eine große Sache kämpfen, und da gibt es
eben Kollateralschäden.
Beachtlich ist, wie mühelos Reichardt auf der Klaviatur des
Spannungskinos spielt, ohne je bemüht zu wirken und zugleich dem ausgetretenen
Pfad einer klassischen Thriller-Inszenierung ausweicht. Es geht um große, hehre
Ziele, um politisch motivierten Aktionismus, der von illegalen Taten befeuert
wird; es geht um die Konsequenzen einer tödlichen Tat und um die Kälte, mit der
sie ausgeführt wird. Prinzipientreue ist in „Night Moves“ nicht nur Motor und
unbedingte positivistische Lebenseinstellung; sie ist auch ein Zustand, der ins
Verderben führt.
Matthias Greuling, Venedig