Was die Viennale als Best-of des Weltkinos
ist, was die Diagonale in Graz für das heimische Filmschaffen leistet, das ist
Crossing Europe in Linz für das junge europäische Kino. Das dritte große
heimische Filmfestival eröffnet heute, Dienstag, seine Pforten zur
Jubiläumsausgabe, die bis 28. April dauert: Seit zehn Jahren programmiert
nunmehr Christine Dollhofer diese feine Zusammenstellung europäischen
Kunstkinos aus allen Winkeln des Kontinents. Es sind Filme, die man im
regulären Kinobetrieb niemals oder nur selten zu sehen bekommt.
In dieser Nische hat sich Crossing Europe
über die Jahre eine treue Fangemeinde aufgebaut und genießt einen
hervorragenden Ruf - auch in der internationalen Festivalszene.
"Made in Poland" von Tribute-Gast Przemyslaw Wojcieszek. Foto: Crossing Europe |
Dollhofer, die vor Crossing Europe die
Diagonale in Graz leitete, muss im Jubeljahr aber auch mit Einschnitten
kämpfen: Zwar stehen das Land Oberösterreich und die Stadt Linz hinter der
ambitionierten Kulturinstitution, aber der Wegfall eines Hauptsponsors und
einiger Sachsponsoren zwangen Dollhofer, den Gürtel enger zu schnallen. Sie
sieht es freilich positiv: „In Zeiten knapp werdender Mittel im Kulturbereich
bin ich sehr stolz, dass wir es geschafft haben, zehn Jahre lang sehr
erfolgreich und mit stetig wachsenden Besucherzahlen ein autonomes,
internationales Festival zu veranstalten“, so Dollhofer. An einen Ausbau der
Aktivitäten ist allerdings nicht zu denken, man müsse froh sein, das Niveau zu
halten: „Es gibt von allen Hauptfördergebern ein klares Bekenntnis zu ‚Crossing
Europe’“, sagt Dollhofer. „Mir ist wichtig, das Festival langfristig zu
stabilisieren und seinen besonderen Charakter zu bewahren.“
Daher steckt das Team seine Energie vor
allem in inhaltliche Arbeit: Neben zahlreichen Filmen, die das Festival bei den
großen Filmschauen in Cannes, Locarno, Venedig und Berlin einsammelt, gab es
heuer mehr als 750 Filmeinreichungen. Dollhofer hat aus dem Angebot insgesamt
162 Filme aus 40 Ländern ausgewählt. Die handverlesenen Spiel-, Dokumentar- und
Kurzfilme sollen das zeitgenössische und gesellschaftspolitische Autorenkino
aus Europa repräsentieren. „Aus etwa 1000 gesehenen Filmen versuche ich eine
selektierte Mischung zu formen. Wir bemühen uns stets um Österreich-Premieren.
Einen Strich durch die Wunschfilmliste macht uns aber manchmal die Verfügbarkeit
der Filmrechte“, sagt Dollhofer.
Im Wettbewerb des Festivals treten neun
neue Spielfilme aus Europa gegeneinander an, die meisten Regisseure sind hier
bestenfalls Branchenkennern bekannt. Das ist eine der Funktionen dieser
Filmschau: Dem Publikum bislang unbekannte Gesichter und Stimmen zu
präsentieren. Dennoch kommt man um einige „Festivalhits“ nicht herum: So stehen
unter anderem mit „Everyday“ von Michael Winterbottom, „Layla Fourie“ von Pia
Marais, „Winterdieb“ von Ursula Meier, „Reality“ von Matteo Garrone oder „In
the Fog“ von Sergei Loznitsa etliche Filme auf dem Programm, die bereits in Cannes, Venedig oder Berlin für Aufsehen
sorgten. Dennoch gehört Crossing Europe über wiegend dem Nischenkino: Dieses
Jahr wird etwa dem polnischen Regisseur Przemyslaw Wojcieszek ein Tribute
gewidmet. Das Programm „Randlagen“ zeigt Filme über Orte, die aufgrund der
Globalisierung ausgedünnt und verlassen scheinen. In „Arbeitswelten“ zirkeln
neue Arbeiten um die existenziellen Probleme einer von Krise und
Arbeitslosigkeit gepeinigten europäischen Gesellschaft. Und das Programm „Local
Artists“ ist vor allem für die Region von großem Wert: Hier werden die Arbeiten
junger Filmschaffender aus Oberösterreich vorgestellt.
- Matthias Greuling
Mehr Infos zum Festival: www.crossingeurope.at
Dieser Beitrag ist zuerst in der Wiener Zeitung erschienen.